Mit seinem Buch „Zerborstene Zeit. Deutsche Geschichte 1918-1945“ hat Michael Wildt zahlreiche Reaktionen in- und außerhalb der Fachwelt hervorgerufen. In Rezensionen ist der außergewöhnliche Ansatz bei der Darstellung eines vielfach erforschten Gegenstandes hervorgehoben worden. Und mit der Verleihung des nur alle drei Jahre vergebenen Preises des Historischen Kollegs ist die herausragende Stellung dieses Buchs noch einmal unterstrichen worden.
Neben der Entscheidung, in diesem Buch einen deutlichen Schwerpunkt auf die Perspektive derjenigen zu setzen, die ‚Geschichte‘ eher erleiden als selbst gestalten, ist es vor allem die innovative und stilistisch elegante Darstellungsweise, die zu vielfältigen Reaktionen Anlass gegeben hat. Es geht Michael Wildt daher um historiographische Möglichkeiten und, wie er schreibt, um die Frage, weshalb „die Formen der Literatur des 20. Jahrhunderts wie Collagen, Dada oder Montagen, die offenkundig der Zerrissenheit des Jahrhunderts weitaus besser Gestalt geben, noch nicht in der Geschichtsschreibung angekommen“ sind.
Notwendig sind diese anderen Darstellungsmöglichkeiten aber auch, weil die Geschichte des 20. Jahrhunderts die Vorstellung einer gerichteten und unlinearen Zeit ad absurdum geführt hat. Michael Wildt stellt vielmehr eine geborstene Zeit diskontinuierlicher Erfahrungen fest, der auch die Geschichtsschreibung gerecht werden müsse.
Die massenhafte Vernichtung von Menschenleben durch die Nationalsozialisten steht paradigmatisch für diese gebrochene Zeiterfahrung. Im Podiumsgespräch wird es sowohl
um zentrale Thesen von Michael Wildt zur deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehen, ebenso aber um die Wege des Beschreibens historischer Zeit – und zerborstener Zeiten.