Jump to contentJump to search

Wissenschaft im Unternehmen

Naturwissenschaftliche Forschung in der deutschen chemischen Industrie im 20. Jahrhundert. (Dilthey-Fellowship, gefördert von der Volkswagenstiftung im Rahmen der Initiative „Pro Geisteswissenschaften“)

Leitung: Prof. Dr. Michael C. Schneider

Bearbeiter: Rouven Janneck

Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts war die chemische Industrie zunehmend auf wissenschaftliche Grundlagenforschung angewiesen, um ihre Produktpalette – zunächst in erster Linie Farbstoffe, dann auch Pharmazeutika und anderes mehr – auszuweiten und auf neue Gebiete vorzustoßen. Unterschiedlich rasch etablierten die Unternehmen dann auch eigene Forschungslaboratorien und wurden so unabhängiger von der Universitätsforschung, mit der sie gleichwohl stets verbunden blieben. Regelrecht industrialisiert wurde die Forschung zuerst bei den Farbenfabriken vorm. Fried. Bayer & Co., deren Leitung sich 1889 entschied, ein eigenes Hauptlaboratorium einzurichten und die in den Folgejahren eine zunehmend komplexe Forschungsinfrastruktur aufbauten, die auf einer stark arbeitsteiligen Forschungsorganisation basierte. Dass Unternehmen nicht nur der chemischen Industrie wissenschaftliche Forschung in ihre Organisation inkorporieren, Wissenschaft somit nutzbar machen für die Entwicklung marktgängiger Produkte, erscheint seither in der wissenschafts- und wirtschaftspolitischen Diskussion gleichermaßen notwendig wie unproblematisch.

Vor diesem Hintergrund geht das Forschungsvorhaben umgekehrt von der Annahme aus, dass die erfolgreiche Organisation von wissenschaftlicher Forschung in Unternehmen zunächst ein unwahrscheinliches Ereignis ist. Diese heuristische Ausgangsannahme leitet sich aus dem Umstand ab, dass wissenschaftliche Forschung gänzlich anderen Imperativen, Rationalitätskriterien und Erfolgsbedingungen unterliegt als die erfolgreiche Führung eines Unternehmens. So bedarf wissenschaftliche Arbeit beispielsweise des ungehinderten Austausches von erworbenem Wissen über institutionelle Grenzen hinweg, wie er durch ein ausdifferenziertes Publikationswesen sichergestellt wird, während es im wirtschaftlichen Interesse eines Unternehmens liegen muss, solches Wissen möglichst exklusiv nutzen zu können. Hinzu kommt das von Peter Weingart formulierte Kontrolldilemma, welches für Firmen darin besteht, „einerseits die Kreativität der Forschung erhalten zu müssen, andererseits die Kontrolle darüber nicht verlieren zu dürfen, dass die Forschungsabteilungen auch das tun, was im Interesse des Konzerns liegt“ (Weingart, Peter: Wissenschaftssoziologie, Bielefeld 2003, S. 106). Dennoch wurde und wird wissenschaftliche Forschung innerhalb von Unternehmen erfolgreich organisiert, so dass sich aus unternehmenshistorischer Perspektive die Frage stellt, wie dies möglich ist.

Verschiedene Unternehmen, deren Namen weltweit für die wissenschaftsbasierte chemische und pharmazeutische Industrie stehen, stehen dabei im Fokus des Interesses: In Leverkusen die Bayer AG, in Frankfurt am Main die Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt (Degussa) (heute aufgegangen in der Evonik Industries AG), in Darmstadt die Merck KGaA (die nach 2004 organisatorische Veränderungen erfahren hat), um nur einige zu nennen. Neben diesen eher unternehmenshistorisch ausgerichteten Untersuchungsteile des Projekts steht eine umfassendere Untersuchung des Verhältnisses zwischen chemischer Wissenschaft und Industrieforschung. Hierzu werden die an die chemische Industrie erteilten Patente systematisch ausgewertet und es wird insbesondere nach den Verbindungen der hier genannten Erfinder in die akademische Sphäre gefragt.

Stand: 23.10.2014

Responsible for the content: