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Die Frühe Neuzeit

Die Geschichte der Frühen Neuzeit deckt den Zeitraum von ca. 1500 bis ca. 1800 ab. Diese Zeitspanne wird begrenzt durch Ereignisse und Prozesse, die für unsere eigene Gegenwart als bedeutsam angesehen werden. Beginnen lässt man die Neuzeit um 1500 mit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern um 1450, der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453, der so genannten „Entdeckung“ Amerikas 1492, der Erreichung Indiens auf dem Seeweg 1498 und dem Beginn der Reformation 1517, aber ebenso mit geistesgeschichtlichen Bewegungen wie der Renaissance und dem Humanismus. All diese Aspekte waren von weitreichender historischer Bedeutung und prägen unseren Alltag in gewisser Weise bis heute. Der Übergang von der Frühen zur späteren Neuzeit wird um 1800 durch Prozesse wie die Aufklärung, die einsetzende Industrialisierung, den Beginn des bürgerlichen Zeitalters und selbstredend die Französische Revolution markiert.

Nicht übersehen werden darf jedoch, dass eine solche Bestimmung der Neuzeit alles andere als „naturnotwendig“ ist. Vielmehr handelt es sich dabei einerseits um eine Konstruktion der Gegenwart beim Blick auf die Vergangenheit, andererseits um eine sehr europäische Perspektive auf historische Prozesse. Eine derartige Epocheneinteilung stellt mithin den Versuch dar, eine Genealogie der eigenen Gegenwart zu erstellen. Sie folgt dem Prinzip, dass Neuzeit immer da ist, wo man sich selbst gerade befindet, dass dieser gegenwärtigen Position auf dem Zeitstrahl eine herausragende Bedeutung zukommt und dass sie der historischen Herleitung bedarf. Nach der Geschichte der Frühen Neuzeit zu fragen, bedeutet daher, nach den Fundamenten des Hier und Jetzt zu forschen.

Diese Aspekte gilt es bei der Beschäftigung mit der Frühen Neuzeit im Blick zu behalten, denn sie machen deutlich, dass die Auseinandersetzung mit diesem Zeitraum alles andere als ein unproblematisches Unterfangen ist. Es gilt sowohl dem Erkenntnisinteresse an historischen Vorgängen nachzugehen als auch die Gefahr einer Mythologisierung von Neuzeit und eigener Gegenwart abzuwehren. Dies kann nur gelingen, wenn man sich vor Augen hält, wie das Konzept „Neuzeit“ zustande kommt, wie es inhaltlich gekennzeichnet ist und welche Relevanz seine historische Untersuchung hat.

Es sind unter anderem folgende Themen, die bei der Erforschung der Geschichte der Frühen Neuzeit von besonderer Bedeutung sind: das Wachstum der Staatsgewalt, die europäische Expansion auf andere Kontinente, die Entstehung unterschiedlicher christlicher Konfessionen infolge der Reformation, die durch den Buchdruck ausgelöste Medienrevolution, die so genannte „wissenschaftliche Revolution“ seit dem 17. Jahrhundert, die Verrechtlichung europäischer Gesellschaften, die Entstehung des Weltwirtschaftsystems sowie geistesgeschichtliche Bewegungen wie Renaissance, Humanismus und Aufklärung.

Da Geschichte immer mit den Fragen der Gegenwart betrieben wird, hat uns die Frühe Neuzeit also viel zu sagen: Globalisierung, Wachstum des Kapitalismus, Entstehung des neuzeitlichen Staatensystems oder Konflikte zwischen unterschiedlichen religiösen Glaubensgruppen – hier werden die Grundlagen zahlreicher Entwicklungen gelegt, die uns heute noch umtreiben.

Wenn es aber nicht die Aufgabe der Untersuchung frühneuzeitlicher Geschichte sein kann, die Geschichte der Neuzeit als eine mehr oder minder konsequente Entwicklung darzustellen und damit einer Teleologie das Wort zu reden, gilt es auch andere Aspekte zu berücksichtigen. So müssen die Wurzeln dieses „Mythos Neuzeit“ freigelegt werden, muss die Kontingenz in der Geschichte dieser 300 Jahre zwischen Reformation und Revolution deutlich gemacht werden, müssen unterdrückte und abgeschnittene Entwicklungspfade angemessen berücksichtigt werden und muss schließlich das Fremde, Andersartige und überhaupt nicht Neuzeitliche dieses Zeitraums herausgearbeitet werden.

Die Tatsache, dass sich die Frühe Neuzeit zu großen Teilen ihrer „Neuzeitlichkeit“ überhaupt nicht bewusst war, ja nicht bewusst sein konnte, ist für diesen Umtand das wohl sprechendste Beispiel. Doch nicht nur dies, sondern auch weitere Phänomene, die gleichermaßen der historischen Erforschung bedürfen, sprechen gegen eine allzu schnelle Vereinnahmung der Frühen Neuzeit durch die Gegenwart: die Bedeutung religiöser Weltbilder (auch in vermeintlich wissenschaftlichen oder aufgeklärten Zusammenhängen), das Vorherrschen von Gewalt und Krieg, die rechtliche Verfestigung sozialer Unterschiede und Ungleichheit, die Verfolgung, Unterdrückung und Ausbeutung von religiös Andersgläubigen, ethnisch Andersartigen und sozial Randständigen oder auch der keineswegs auf untere soziale Schichten beschränkte Zauber- und Magieglaube.


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