Lehre
Lehrveranstaltungen
Vorlesungen
Univ.-Prof. Dr. Matthias Bähr
Religion und Politik waren in der europäischen Frühen Neuzeit (ca. 1500–1800) eng miteinander verbunden. Der persönliche Glaube berührte die gesamte Gesellschaftsordnung. Daher erschütterte die Reformation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht nur alte Gewissheiten. Religiöse Fragen beschäftigten Könige und Kaiser, waren ideelles Fundament politischen Handelns und trieben die Staatsbildung in Mittel- und Westeuropa entscheidend voran – und religiöse Überzeugungen waren daher nur selten reine Privatsache. Gleichzeitig brachten Gesellschaften der Frühen Neuzeit aber auch ausgefeilte Strategien hervor, religiöse Erwartungen zu umgehen und bewährte Mechanismen der Koexistenz gegen die destruktiven Potenziale der Glaubensspaltung zu verteidigen. Die Frühe Neuzeit war nicht zuletzt auch eine Epoche großer – und meist friedlicher – religiös-konfessioneller Vielfalt.
Die Vorlesung gibt einen Überblick über die Geschichte von Reformation und Glaubensspaltung im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts, diskutiert am Beispiel der Verflechtung von Religion und Politik zentrale Merkmale der Frühen Neuzeit und beleuchtet aktuelle Forschungsfragen und -probleme.
Aufbauseminare
André Ingendae M.A.
Die Habsburger regierten im 18. Jahrhundert über ein heterogenes Länderkonglomerat, das sich von der belgischen Nordseeküste bis an die rumänischen Karpaten erstreckte. Die Habsburgermonarchie wurde während der gemeinsamen Regierungszeit Maria Theresias und ihres Sohnes Josephs II. (1765–1780) sowie der Alleinherrschaft Josephs (1780–1790) von tiefgreifenden Reformbestrebungen erfasst. Beide Regent*innen strebten die Expansion, Zentralisierung und Rationalisierung der staatlichen Strukturen an. Das Seminar richtet den Fokus auf diese ereignis- und konfliktreiche 25-jährige Phase habsburgischer Herrschaft. Die drei zu behandelnden Hauptakteure sind Maria Theresia, Joseph II. und Marie Antoinette.
Zu Beginn werden die dynastischen Verhältnisse der Habsburger und die Verfasstheit der Habsburgermonarchie beleuchtet. Anschließend werden ausgewählte Entwicklungen, Reformen und persönliche Beziehungen anhand von Quellen unter anderem aus politischer, kulturalistischer oder feministischer Perspektive untersucht: Warum drängte Maria Theresia darauf, alle bewohnten Gebäude in Österreich, egal ob Bauernhütte oder Adelspalais, einheitlich zu nummerieren? Wieso verbrachte Joseph II. ein Viertel seiner Regierungszeit auf Reisen und legte dabei zu Pferd und Kutsche über 50 000 Kilometer zurück? Weshalb waren die Vorgänge im Ehebett Marie Antoinettes, der jüngsten Tochter Maria Theresias, von großer politischer Bedeutung und ein wichtiges Thema im Briefwechsel der Habsburger?
Die Voraussetzung für den Erhalt eines Beteiligungsnachweises sowie für die Anmeldung zur Abschlussprüfung ist die regelmäßige und aktive Teilnahme an den Sitzungen. Die Abschlussprüfung für das Aufbaumodul "Neuzeit und Osteuropa" erfolgt in Form einer Studienarbeit. Die Prüfungsmodalitäten werden in der ersten Sitzung besprochen.
Laura Seithümmer M.A.
Rechtliche und soziale Unsicherheiten hingen wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Jüd*innen in der Frühen Neuzeit und erschwerten ihnen die Integration in die Gesellschaft. Häufig wurden sie ausgegrenzt, vertrieben und mussten sich für alle Lebensbereiche Sonderrechte erkämpfen. Dennoch gelang es einigen jüdischen Personen, durch Handel und Kredite eine enge Beziehung zum Hof aufzubauen und sich damit eine komfortable Lebenssituation zu erarbeiten. Die meisten von ihnen verdienten sich im Laufe der Zeit eine Position als Hoffaktor*in – zeitgenössisch meist Hofjüd*innen genannt.
Im Aufbauseminar werden wir uns mit verschiedenen dieser faszinierenden Persönlichkeiten auseinandersetzen. Folgende Fragen werden wir uns stellen: Wie gelangten diese Personen an den Hof? Wie war ihre Stellung im Vergleich zu christlichen Händler*innen? Welche Motive standen für die Herschenden im Fokus bei ihrer Anstellung? Und wo waren sie in der Struktur des Hofes verordnet? Durch die Analyse dieser Fragen sollen Sie ein tieferes Verständnis der Rolle von Jüd*innen an den frühneuzeitlichen Höfen gewinnen.
Vertiefungsseminare
PD Dr. Teresa Schröder-Stapper
Migration ist kein ausschließlich gegenwärtiges Phänomen, sondern zeichnet sich durch eine komplexe historische Tiefendimension aus, die schon seit längerer Zeit im Fokus historischer Betrachtung steht. In diesem Zusammenhang wurde die Vorstellung von der immobilen, statischen vormodernen Gesellschaft kritische hinterfragt und gilt mittlerweile als widerlegt. Nicht zuletzt in der Zeit zwischen 1500 und 1800 lassen sich vielmehr zahlreiche freiwillige ebenso wie erzwungene Migrationsbewegungen innerhalb Europas und darüber hinaus beobachten, die von Formen der Arbeitsmigration über konfessionelle Fluchtbewegungen bis hin zur Sklaverei reichen. Im Seminar werden zunächst anhand konzeptioneller Literatur unterschiedliche Migrationstypen und deren Charakteristika erarbeitet. Sie dienen als Grundlage für die anschließende Einordnung und Analyse historischer Fallbeispiele aus Europa und dessen globalen Zusammenhängen. Besondere Aufmerksamkeit gilt hierbei den räumlichen Dimensionen sowie den unterschiedlichen Akteursgruppen. Ziel ist es sowohl die Spezifik frühneuzeitlicher Migrationsbewegungen herauszuarbeiten als auch der Frage nachzuspüren, inwiefern räumliche Mobilität zu den Grundbedingungen menschlichen Lebens in der Frühen Neuzeit gehörte und damit ein Signum der Epoche darstellte.
Prof. Dr. Jörg Vögele
In romantischen Büchern und Filmen scheint die Liebe ein eindeutiges Gefühl zu sein. Wenn sie kommt ist alles anders und häufig gibt es nur das eine Objekt der Begierde. In diesen Deutungen scheint Liebe zu allen Zeiten gleich gewesen zu sein. Doch möglicherweise wurde das Gefühl der romantischen Liebe erst in der Neuzeit “erfunden“. Wie Liebesgefühle in historischer Perspektive beschrieben wurden, was jeweils unter Liebe verstanden wurde und wie sich ihre Objekte verändert haben, diese Fragen sollen im Seminar behandelt werden. In sozialhistorischer Perspektive kann Liebe als eine Vorform des Sozialsystems Familie verstanden werden, dem grundlegende gesellschaftliche Funktionen zukommen (nämlich Reproduktion und Sozialisation). Ausgehend vom Wandel des Heiratsverhaltens (Heiratsalter, Zölibatsquote) und der Fertilität (Kinderzahl, Geburtenabstände) beschäftigt sich das Seminar mit der Entstehung der bürgerlichen Ehe und der Liebesheirat sowie der Geschichte der Sexualität von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart. Eingeordnet wird das Thema in gesellschaftliche Strömungen (etwa Emanzipation; Verhütungsmöglichkeiten). Die partnerschaftliche Liebe wird im Vordergrund stehen, wobei auch die Geschichte der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften dazu gehört. Ebenso wie juristische Festlegungen (z. B. §175) geben auch die wissenschaftshistorischen Perspektiven auf die Liebe (z.B. der Liebeswahn oder die Liebe als biochemischer Prozess) einen Einblick in den konstruktiven Charakter dieses Gefühls. Daneben können aber auch andere Beziehungen wie etwa Elternliebe thematisiert werden.
Univ.-Prof. Dr. Matthias Bähr
Von Reliquien und Mumien über Schädel und mumifizierte Köpfe bis hin zum Handel mit anatomischen Präparaten: In der Frühen Neuzeit wurden menschliche Überreste gesammelt, verkauft, ausgestellt und als Spekulationsobjekte fieberhaft gejagt. Solche Handelspraktiken verletzten jedoch häufig elementare Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens sowie tiefgreifende religiöse Gefühle und legen somit offen, was Menschen der damaligen Zeit wirklich wichtig war.
Der globale Handel mit menschlichen Überresten ist für die Frühe Neuzeit bislang erst in Ansätzen erforscht. Das Seminar gibt einen Einblick in zentrale Aspekte des Themas, stellt verschiedene Ansätze und Konzepte zur Diskussion und führt anhand von Quellen in aktuelle Forschungsprobleme ein. Erwartet wird die Bereitschaft, in kleineren Gruppen gemeinsam Quellenpapiere zu erarbeiten und Forschungs- und Quellentexte regelmäßig vorzubereiten.
Projektseminare
PD Dr. Teresa Schröder-Stapper
„Magische Vorstellungen finden wir in der frühen Neuzeit in allen lebenswichtigen Handlungssituationen. Wir kennen sie im häuslichen Zusammenleben, im dörflichen Brauchtum und selbst in der Herrschaftsausübung“ (Dülmen 20053, S. 79f.). Zugleich gilt das 18. Jahrhundert als Geburtsstunde der rationalen Vernunft, die religiösen Wunderglauben ebenso wie (volks-)magische Vorstellungen als irrational verbrämte und abzustellen suchte. In Kooperation mit der Älteren Abteilung der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf sowie dem Städtischen Museum Schloss Rheydt in Mönchengladbach werden in den hiesigen (Alt-)Beständen frühneuzeitliche Drucke ebenso wie Artefakte recherchiert und untersucht, die magische Phänomene in unterschiedlichen Kontexten (Religion, Medizin, Landwirtschaft, Schadensborbeugung, höfische Welt, Hexenverfolgung etc.) thematisieren. Auf diese Weise wird der kritische Umgang mit Primär- und Sekundärquellen eingeübt und deren Einbettung in den Forschungskontext unternommen.
Parallel zur Qullenrecherche konzipieren die TeilnehmerInnen eine digitale Ausstellung, in der ausgewählte Exponate thematisch eingeordnet, wissenschaftlich kontextualisiert und digital aufbereitet werden. Nach einer grundlegenden Einführung in die Ausstellungstheorie und digitale Vermittlungsformen erfolgt die thematische Einteilung der Ausstellung in einzelne Sektionen (z. B. Magie im Alltag, Schutzzauber, Wahrsagerei, Wunderberichte, Hexenverfolgung). Jede Arbeitsgruppe übernimmt die Verantwortung für ein Thema und bearbeitet es quellenbasiert. Dabei werden Grundlagen der digitalen Geschichtsvermittlung vermittelt und praktisch erprobt – von der Entwicklung eines Ausstellungskonzepts über die Texterstellung bis hin zur technischen Umsetzung auf einer digitalen Plattform. Ziel ist es, historische Inhalte anschaulich, fundiert und öffentlich zugänglich zu präsentieren.
Das Seminar findet wechselnd am Campus, in der ULB und im Schloss Rheydt statt.
Masterseminare
Masterseminare
Univ.-Prof. Dr. Matthias Bähr
Wie alle Epochen war die Frühe Neuzeit durch soziale Ungleichheit geprägt. Anders als heute wurde sie jedoch als gottgewollter Normalzustand begriffen und auch ihre Entstehung unterlag grundlegend anderen Mechanismen als in den Klassengesellschaften des 19. Jahrhunderts. Was Ungleichheit in der Frühen Neuzeit von der Ungleichheit anderer Epochen unterschied, ist das zentrale Thema des Seminars. Denn Gesellschaften unterscheiden sich grundlegend in ihren Praktiken sozialer Schichtung und kultureller Abgrenzung.
Gemeinsam werden wir der Frage nachgehen, inwiefern sich die Sozialgeschichte der Neuzeit als Entwicklung vom Stand zur Klasse charakterisieren lässt. Zudem werden wir die historische Bedeutung von Unterscheidungsmerkmalen wie Ehre, Geschlecht und Ethnizität beleuchten und offene Forschungsfragen diskutieren. Erwartet wird neben der gemeinsamen Quellenarbeit die Bereitschaft zur eigenständigen Lektüre von Forschungsliteratur.
Übungen
PD Dr. Tobias Winnerling
PD Dr. Sebastian Hansen
1789 treffen wir im Rheinland auf begeisterte Anhänger der Französischen Revolution. Sie verfolgen aufmerksam das Geschehen in Paris und wünschen sich auch in Deutschland Veränderungen. Der 1792 einsetzende Krieg führt schließlich dazu, dass die linksrheinischen Gebiete ab 1794 zwei Jahrzehnte lang zu Frankreich gehören und in dieser Zeit eine völlige Neuordnung erleben. Angesichts der massiven politischen, gesellschaftlichen, kirchlichen und rechtlichen Veränderungen wird diese Zeit auch als großer Modernisierungsschub betrachtet. Im Seminar werden wir uns anhand ausgewählter Quellen und Literatur näher mit dieser facettenreichen Entwicklung befassen.
Univ.-Prof. Dr. Matthias Bähr
Was wir über das Leben von Menschen vor dem Industriezeitalter wissen, stammt fast immer aus handschriftlichen Quellen. Historisches Arbeiten bedeutet daher häufig, alte Schriften zu entziffern. Wie das funktioniert, ist Gegenstand dieser Übung. Sie vermittelt erste Grundlagen der Paläographie der Frühen Neuzeit. Wir erarbeiten uns gemeinsam deutschsprachige Handschriften des 16.–18. Jahrhunderts aus Archiven und Bibliotheken, werfen einen Blick in spätere Epochen sowie die fremdsprachige Überlieferung und machen uns mit den Chancen und Grenzen KI-gestützter Texterkennung vertraut. Erwartet wird die Bereitschaft zur regelmäßigen Anfertigung kleinerer Übungsaufgaben.
Dr. Tobias Winnerling
Laura Seithümmer M.A.
Wie funktioniert wissenschaftliches Schreiben? Wo finde ich Literatur und Quellen und wie gehe ich mit ihnen um? Worauf muss ich im Prozess achten? Antworten auf diese und weitere Fragen zu finden, ist das Ziel unseres Seminars. Neben den Grundpfeilern einer jeden Arbeit, dem wissenschaftlichen Schreiben und der Literaturrecherche, werden wir uns auch mit Lese- und Lernstrategien, verschiedenen Formen wissenschaftlichen Arbeitens und Zeitmanagement beschäftigen. Dadurch werden Sie in die Lage versetzt, einen ganz individuellen Plan für Ihre Arbeitsweise zu entwickeln und diesen durch praxisnahe Übungen im Seminar anzuwenden.
Kolloquien
Univ. Prof. Dr. Matthias Bähr, PD Dr. Teresa Schröder-Stapper
Das Kolloquium ist in erster Linie ein Forum für die Vorstellung von Abschlussarbeiten (Master & Dissertation), soll darüber hinaus aber auch Raum für die Diskussion aktueller Debatten in der Geschichte der Frühen Neuzeit und der Geschichtstheorie bieten.
Für Masterstudierende ist der Besuch des Masterforums und des Forums Neuzeit obligatorisch.
Weitere Informationen, Formalia und Anforderungen entnehmen Sie bitte dem HISLSF.