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Dissertationen

Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit dem Sport in Ostoberschlesien während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Ziel ist eine integrierte Erfahrungsgeschichte des besetzten deutsch-polnisch-tschechischen Grenzraums. Sport ist eine ubiquitäre und gleichzeitig bedeutungsoffene Alltagspraxis. So bietet er einen analytischen Zugang zur Vielschichtigkeit des Besatzungserlebens  und unterläuft nationalgeschichtlich verankerte Narrative von Kollaboration und Widerstand, indem er die auf den Eigensinn der historischen Akteur*innen und somit auf die Gleichzeitigkeit auch konträrer Erfahrungen verweist. Damit öffnet der Sport den Blick für die Mehrdeutigkeit, Kontingenz und Dynamik menschlicher Handlungsweisen in Krieg und Besatzung.


Der Untersuchungsraum Ostoberschlesien als transnationaler Zwischenraum macht diese Mehrdeutigkeit in besonderer Weise sichtbar, denn seine Geschichte der wechselnden staatlichen Zugehörigkeit fügt sich weder in polnische noch in deutsche Meistererzählungen ein, was deren Konstruktionscharakter umso deutlicher macht. Somit geht von der Historisierung des ostoberschlesischen Alltags unter deutscher Besatzung auch ein wichtiger Impuls für eine transnationale Perspektivierung des Zweiten Weltkriegs in europäischer Dimension aus.
 

Unter der nationalsozialistischen deutschen Besatzungsherrschaft wurde die ostoberschlesische Bevölkerung entlang rassenideologischer Kategorien hierarchisiert, die nicht zuletzt mittels Körperbildern und -praktiken konstruiert wurden. Sport diente unter den neuen Herrschaftsverhältnissen dazu, körperlich erlebbar eine Differenz herzustellen, wovon in letzter Konsequenz auch die individuellen Überlebenschancen abhingen. Die politische Überformung aller sportlichen Aktivitäten vom Schul- über den Freizeit- bis hin zum Zuschauersport schuf unmittelbare Handlungszwänge, bei den Ausschlusspraktiken mitzumachen. Doch trotz aller behördlichen Zugriffsversuche eröffneten sich ebenso neue Handlungsoptionen, die die propagandistische Inszenierung der sog. „Volksgemeinschaft" mit ihrer sozialen und Geschlechterordnung performativ stützen wie auch unterlaufen konnten. Der Sport sorgte in ungewissen Zeiten für Ablenkung, suggerierte Normalität und Regelhaftigkeit und brachte situative Zugehörigkeiten hervor, zum Teil auch über rassenideologische Grenzziehungen hinweg. Auf diese Weise stabilisierte er die besatzungsinduzierten Machtverhältnisse und stellte sie gleichzeitig in Frage. In den Konzentrationslagern ermöglichte Sport einigen wenigen das Überleben, während er für die vielen zum Mittel der Erniedrigung und Misshandlung bis hin zum Mord wurde. Im individuellen Aneignen des Sports verschränkten sich somit vielschichtige Motive und Intentionen der beteiligten Akteur*innen, die einander bedingen, ergänzen, verstärken oder auch zuwiderlaufen konnten. In seiner unmittelbaren Körperlichkeit verweist der Sport auf die sinnlich-materiale Dimension der Erfahrung und berührt nahezu sämtliche Lebensbereiche unter deutscher Besatzung: Kriegs- und Gewalterfahrungen, Praktiken der Versorgung und des Mangels, Geschlechter- und soziale Verhältnisse, Gemeinschaftsvorstellungen und rassenideologisch begründete genozidale Praxis. Die Analyse der individuellen Aneignungen der durch die Besatzung strukturierten Realität(en), wie sie im Sport zusammenliefen, ermöglicht zudem intersektionale Zugriffe auf das Thema.

Despite the existing interest for the history of the relations between Serbia and Turkey and Russia, there is hardly any systematic study of the Serbian-Turkish relations when the principality of Serbia gained its independence in 1878. Serbia and the Ottoman Empire were keeping an eye on each other. Their foreign interests were the cohesion ground for their cautious rapprochement. For instance, both states were discussing the projects of treaties, which might be signed in the forthcoming years.
The research is supposed to show the crucial role of the imperial legacy for the violent Twentieth century in South East Europe. Therefore it analyses the factor of Ottoman Serbs in Macedonia and Bosnia, as well as in other states of the region and follows up on their imprint on the bilateral and multilateral relations of many post-Ottoman or more general post-Imperial states.
It therefore asks for the rapprochement of the Serbia and the Ottoman Empire and tries to reveal the value the Serbian-Turkish relations during the Balkan wars, and up to World War I.

Die Beziehungen zwischen den sich im Laufe des 19. Jahrhunderts neuformierenden Balkanstaaten, den europäischen Großmächten und dem Osmanischen Reich, zu dessen Herrschaftsbereich der Balkan gehörte, waren wechselvoll: Einerseits übten die Großmächte einen starken Einfluss auf die Entwicklungen auf dem Balkan und im Osmanischen Reich aus, andererseits war auch die Politik der sich bildenden Nationalstaaten von nationalistischen Zielen geprägt und wirkte auf die Großmächte zurück. Serbien erhielt durch den Berliner Vertrag von 1878 politische Unabhängigkeit, so dass sich sein Verhältnis zum Osmanischen Reich signifikant veränderte, da es aus dessen Staatsverband endgültig ausschied.
Als unabhängige Staaten entwickelten Serbien und das Osmanische Reich nun diplomatische, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen, die sich häufig auf die Situation der in Makedonien und damit auf osmanischem Territorium verbliebenen Serben bezogen. Das Hauptaugenmerk meiner Dissertation liegt daher auf der eigenständischen serbischen Politik mit Blick auf die serbische Bevölkerung im Osmanischen Reich, besonders auf kulturellem Gebiet. Die Ausgangsposition der Arbeit ist, dass es Phasen einer funktionierenden Zusammenarbeit zwischen Serbien und dem Osmanischen Reich und gegenseitige Unterstützung gab, da das Osmanische Reich ein Interesse an einem starken Serbien und einer starken serbischen Minderheit in Makedonien hatte. Vor diesem Hintergrund fragt die Arbeit nach den unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit, sowie denjenigen Strategien und Praktiken in der serbischen Politik, die eine serbisch-osmanische Zusammenarbeit möglich machten.

Wien war die Stadt, von der zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche der bedeutendsten wissenschaftlichen, politischen und philosophischen Ideen für die europäische Moderne ausgingen, die das westliche Denken bis heute prägen. Als in den 1930er Jahren auf das „Rote Wien“ der so genannte „Austrofaschismus“ und die Machtübernahme durch Adolf Hitler folgten, wurde das liberale und größtenteils jüdische Wien zur Flucht gezwungen. Viele der deutschen und österreichischen jüdischen Emigranten fanden in den Staaten, die sie aufnahmen, eine neue Heimat und Möglichkeiten, ihre Ideen neu zu formulieren, ihre Forschungen fortzuführen und den neuen Kontexten anzupassen. Lebensweg und Lebensschicksal von Marie Jahoda, der österreichisch-jüdischen Sozialpsychologin und Verfasserin der berühmten Marienthal-Studie, deren umfassendes Werk im Zentrum des Promotionsprojektes stehen soll, stellen in diesem Sinne ein exemplarisches Abbild von Denkbewegungen und 
Wissenstransfer im 20. Jahrhunderts dar. Die Studie möchte den methodologischen Versuch machen, die biografische Nahsicht auf das Leben und Werk einer außergewöhnlichen Wissenschaftlerin, und die doppelte Minderheiten-position einer Jüdin in christlichen Mehrheitsgesellschaften und männerdominierten Wissenschaftsmilieus mit grundlegenden Überlegungen zur Entstehung, Durchsetzung und Verbreitung von Begriffen, Konzepten und Wissen zu verbinden.
 

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Phillip Schroeder 

In meinem Dissertationsprojekt beschäftige ich mich mit der Implementierung von Mobilitätsinfrastrukturen in sowjetische Stadträume. Anhand von Stadtentwicklungsplänen, Planungsprozessen städtischer Mobilitätsinfrastrukturen und ihrer konkreten Ausgestaltung untersuche ich Sichtweisen und Interpretationen der städtischen Räume Leningrads und Taschkents. Nicht zuletzt geraten hierbei Wechselwirkungen bei Entscheidungsprozessen innerhalb der Sowjetunion – beispielhaft zwischen Moskau, Leningrad und Taschkent – in den Fokus. 

Wahrnehmungen und Interpretationen von Raum unterscheiden sich je nach Perspektive deutlich. Geprägt werden sie vor allem durch Nähe oder Distanz zum besagten Raum, seiner Nutzung bzw. der Beziehung zu ihm, seiner Erfahrbarkeit und ebenso durch übergeordnete Konzepte und Ideen, die mit ihm verbunden sein mögen. Städtische Räume erfuhren im Rahmen ihrer Entwicklung eine umfassende Ordnung und vielfache Bedeutungszuweisungen; verstärkt wurde und wird diese Tendenz durch Infrastrukturen. Seitdem sich im 19. Jahrhundert die räumliche Verbindung von Arbeits- und Wohnort immer mehr auflöste, nahm die Rolle von Mobilität innerhalb städtischer Räume immer mehr zu. Zunächst Kutschen, später Züge, Trams, Busse sowie S- und U-Bahnen ordneten den Raum und ließen neue Stadtkonzepte, Ordnungsmuster sowie Pfadabhängigkeiten entstehen. Städtische Räume konnten aufgrund ihrer Zugänglichkeit, Anbindung oder ihrer infrastrukturellen Erschließung neu bewertet und reinterpretiert werden. In der Sowjetunion wurden Stadtplanung und innerstädtische Mobilität zu Systemfragen, die auf räumliche Strukturen trafen, denen das neue politische System ablehnend gegenüberstand.

Die Sowjetunion zeichnete sich durch einen umfassenden Zentralismus aus – seit der Oktoberrevolution konzentrierte sich die Macht in der ‚neuen alten‘ Hauptstadt Moskau. Die Machthabenden entschieden aus diesem Moskauer Kontext heraus über das Schicksal des gesamten Landes und nahmen ebenso Einfluss auf regionale Angelegenheiten; so auch auf die Entwicklung Leningrads und Taschkents. Diese beiden Fallbeispiele ermöglichen, Moskaus Verhältnis zum ehemaligen Zentrum des Reiches – der früheren Zarenstadt – auf der einen Seite und zur bedeutendsten Metropole im sowjetischen Zentralasien auf der anderen Seite zu betrachten. Außerdem werden Transfer- wie auch Wechselwirkungsprozesse hinterfragt. Moskauer Vorgaben enthielten nicht nur technische oder infrastrukturelle Konzepte, sondern ebenso Erfahrungswerte und klare Interpretationen der Räume, in die diese Konzepte integriert werden sollten. Hiermit trafen verschiedene Perspektiven hinsichtlich der städtischen Identitäten aufeinander: zum einen der von ideologischen Gedanken geprägte Blick des Zentrums, zum anderen regionale städtische Bedürfnisse.

The dissertation project delves into the social, material and labor history of Soviet industrialization in Georgia, navigating through two pivotal periods: the early Sovietization under Stalin and the post-Stalinist era up to Perestroika. Positioned at the crossroads of social, cultural, and national history within the larger framework of Soviet history, this study interlaces the inquiries into industrial development and the emergence of the working class with the overarching narrative of Georgia's Sovietization.

Shortly after its construction, ZFF emerged as the cornerstone of heavy industry production in Soviet Georgia and formed the backbone of Imereti's industrial belt. Situated in the city of Zestafoni in West Georgia, ferroalloy production overshadowed other economic spheres and turned the region into a mono-industrial “city-laboratory.” Beyond supplying essential ferroalloy products crucial for military, submarine, and space industries, ZFF played a pivotal role in nurturing the nascent Georgian working class, fostering institutions for industrial knowledge production, and contributing to the formation of a new professional intelligentsia.

Amidst the array of colossal industrial factories initiated during the First- and Second-Five Year Plans, the construction of ZFF emerges as an exemplary and distinctive case, embodying the ambitious thrust of Stalinist industrialization. It lays a solid groundwork for examining the core of Stalinist industrialization during the First and Second Five Year Plans and its evolution in the post-Stalinist years. From this perspective, the politics of Soviet industrialization plays a pivotal role in elucidating the social history of Soviet industrialization in Georgia.


Abgeschlossene Dissertationen

In meinem Dissertationsprojekt untersuche ich den Sport im von Deutschland besetzten Elsass während des Zweiten Weltkriegs. Ziel der Arbeit ist es, mittels der Analyse sportlicher Praktiken die Alltagsgeschichte der Besatzung zu erforschen und damit die Vielstimmigkeit der Erfahrungen, die Interaktionen zwischen „Besatzern“ und „Besetzten“ sowie die Handlungszwänge und -spielräume der Akteure zu rekonstruieren. Dieses individuelle Kriegs- und Besatzungserleben im Elsass wurde lange Zeit durch den Deutungsrahmen der sinnstiftenden Narrative von Kollaboration und Widerstand überdeckt, die die Geschichtsschreibung der europäischen Besatzungsgeschichte nachhaltig prägten. Derartige national strukturierte Kategorisierungen werden jedoch der Ambivalenz und Dynamik der Wahrnehmungs- und Handlungsweisen im transnationalen deutsch-französischen Grenzraum während der Besatzung nicht gerecht.

Die ganz unterschiedlichen Bedeutungszuschreibungen sportlicher Praktiken und ihr spezifischer Eigensinn ermöglichen es dagegen, die Erfahrungsebene der Akteure jenseits nationaler Meistererzählungen und übergeordneter Strukturen in den Blick zu nehmen. Sport repräsentierte rassistische Ordnungsvorstellungen des NS-Besatzungsregimes im Alltag. Vereinssport, Schul-, Hochschul- und Betriebssport standen unter politischer und ideologischer Kontrolle und erwiesen sich als Exerzierfeld nationalsozialistischer Germanisierungspolitik im Elsass. In Sportveranstaltungen wurde die deutsche „Volksgemeinschaft“ inszeniert. Gleichzeitig bot der Sport den Akteuren Räume alltäglicher Normalität und sozialer Interaktion, die die vermeintlich statischen Grenzen zwischen „Besatzern“ und „Besetzten“ überschritt. Sport ermöglichte Ablenkung, Anerkennung und Lustgewinn, stiftete Zugehörigkeiten und soziale Netzwerke bzw. hielt diese aufrecht. Als Alltagspraktik entfaltete er einen eigenen Sinn für Sportler*innen und Zuschauer*innen, und seine individuelle Aneignung konnte auf Formen von Distanz, Ablehnung, Subversion und Protest verweisen.

In meiner Dissertation verbinde ich damit Alltagsgeschichte mit politik- und ideengeschichtlichen Fragestellungen. Die Arbeit stützt sich auf Ego-Dokumente wie Autobiographien, Memoiren, Briefe und Tagebücher sowie Presseerzeugnisse, programmatische Texte zum Sport und Archivquellen der am sportlichen Leben im Elsass beteiligten Behörden und Organisationen.


Dissertationen betreut von Prof. Dr. Beate Fieseler

Die Moskauer Schauprozesse der Jahre 1936 bis 1938 bildeten den öffentlichen Höhepunkt des stalinistischen Terrors in der Sowjetunion. Nicht ihre vergleichsweise gut erforschte strafpolitische Dimension steht im Mittelpunkt der Dissertation, sondern ihr Schau- und Zeigecharakter. Denn die Prozesse dienten nicht nur der Verurteilung der Angeklagten, sondern richteten sich in drei breit angelegten Mobilisierungskampagnen an die einheimische Bevölkerung. Durch eine Kombination medialer und partizipativer Kommunikationsformen wurden die Schauprozesse massenwirksam und mobilisierend inszeniert. Dazu nutzte die Kremlführung drei unterschiedliche Kommunikationsebenen, die in den zentralen Kapiteln der Dissertation untersucht werden: die örtlichen Inszenierungen als Strafprozesse im Oktobersaal des Moskauer Gewerkschaftshauses, die multimediale Inszenierung sowie die in den Kampagnen formulierten Partizipationsforderungen. Die Studie verdeutlicht, wie umfassend das Stalin-Regime das Erleben der Inszenierung bewusst steuerte und wie es versuchte, die Bevölkerung kollektiv als ‚Volksrichter‘ in das Geschehen einzubinden. Dafür wird die Rolle aller eingesetzten Medienprodukte analysiert, die durch ihre spezifischen Eigenschaften und Wirkmechanismen die Schauprozesse im Sinne einer Visual History prägten und die Mobilisierungsstrategie der sowjetischen Führung beeinflussten. Als Quellengrundlage dienten neben Archivdokumenten aus Moskau und dem Gebiet Čeljabinsk (Südural), zeitgenössischen Periodika und Ego-Dokumenten vor allem vielfältige Bildquellen. Die von Prof. Dr. Beate Fieseler betreute Dissertation wird in der Schriftenreihe „Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa“ im Franz Steiner Verlag erscheinen.

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