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Für Studierende

Wenn Sie sich intensiver mit der Osteuropäischen Geschichte beschäftigen, werden Sie auf einige Besonderheiten treffen, die diesen Teilbereich der Geschichtswissenschaften ausma- chen. Dieser Leitfaden soll Ihnen einen Überblick über Themen und Besonderheiten geben und Sie dafür sensibilisieren. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wenden Sie sich bei Unklarheiten oder Fragen, die hier nicht geklärt werden, an die Lehrperson, bei der Sie eine Seminararbeit verfassen.

Sprachen

In der Osteuropäischen Geschichte können Sie auf eine Vielzahl von Sprachen treffen. Im geografischen Raum, mit dem sich die Osteuropäische Geschichte beschäftigt, finden Sie slawische, germanische und romanische Sprachen, Jiddisch, Turksprachen, Hebräisch, balti- sche Sprachen, arabische und persische Einflüsse oder Sprachen und mehr. Selbstverständ- lich ist es nicht möglich, alle diese Sprachen zu lernen, aber dennoch ist geboten, reflektiert mit ihnen umzugehen.

Ein großer Teil dieser Sprachen nutzt Sonderzeichen und andere Schriftsysteme, auf die Sie als Osteuropahistoriker:innen treffen werden. Hinzu kommt, dass Umbenennungen und Schreibweisen mit politischen oder kulturellen Einflüssen oder Ereignissen verbunden sind. Deshalb müssen Sie nicht nur die sprachlichen Besonderheiten der jeweiligen Untersu- chungsgegenstände berücksichtigen, sondern Sprachen und Namen manchmal auch als Poli- tikum betrachten, hinterfragen und einordnen können.

Das bedeutet konkret, dass Sie sich mit der/den jeweiligen Sprachen und Umschriften Ihres Untersuchungsgegenstands auseinandersetzen und einen sensiblen Umgang damit einüben müssen.
So macht es beispielsweise einen Unterschied, ob Sie von der Stadt L‘viv (Львiв), Lwiw, L‘vov (Львов), Lwow, Lwów oder Lemberg sprechen. Der offizielle ukrainische Name der Stadt ist Lʼviv (wissenschaftlich transliteriert, nach Duden-Transkription Lwiw). In der Sow- jetunion wurde die Stadt häufig russifiziert Lʼvov (Lwow) genannt. Die polnische Version des Städtenamens war Lwów während sie im Habsburgerreich, zu dem die Westukraine lange gehörte, Lemberg genannt wurde. Mit der Nutzung einer Namensvariante verorten Sie sich und Ihre Forschung. Sprechen Sie von Lemberg, wird eher mit der Stadt im Habsburgerreich assoziiert, sprechen Sie von Lʼvov, nutzen Sie eine russifizierte Version des Stadtnamens.

Mit der Nutzung eines Namens verorten Sie also ihre Arbeit und sich selbst ideologisch und/oder in einer Epoche.
Des Weiteren spielen Umbenennungen in der Osteuropäischen Geschichte häufig eine Rolle. Gerade im 20. Jahrhundert wurden v.a. Orte aufgrund von sich wandelnder politischer Sys- teme und Ideologien häufig umbenannt (z.B. Sankt Petersburg 1914 zu Petrograd, dann 1924 zu Leningrad und 1991 wieder zu Sankt Petersburg). Sollten Sie auf so einen Fall treffen, sollten Sie auch das hinterfragen und sich der Bedeutung von Umbenennungen im Klaren sein. Außerdem können Sie auch auf feststehende, gebräuchliche (Quellen)begriffe stoßen, die Sie ggf. transliterieren müssen oder die transliteriert verwendet werden.

Hinterfragen Sie die Verwendung von Namen/Schreibweisen und sorgen Sie für Nachvoll- ziehbarkeit in Ihren Arbeiten und Aussagen – warum nutzen Sie eine bestimmte Variante oder Schreibweise und was impliziert das? Das gilt nicht nur für Ortsnamen, sondern manch- mal auch für Personennamen. 

 

Für die Umschrift von Namen und Begriffen aus kyrillischen Sprachen werden entweder eine wissenschaftliche Transliteration oder eine phonetische Transkription verwendet. Das kann wie folgt aussehen:

Kyrill. Russ.: Никита Сергеевич Хрущёв zu
wiss. Translit.: Nikita Sergeevič Chruščëv,
Duden: Nikita Sergejewitsch Chruschtschow oder
engl. Translit. (ALA): Nikita Sergeevich Khrushchev.
Bei der Umschrift wird versucht, entweder der Phonetik oder der Phonetik und dem jeweili- gen Buchstaben zu entsprechen. Die Namen und Begriffe werden so auch für jemanden ei- nigermaßen lesbar, der die kyrillische Schrift bzw. die Ausgangssprache nicht lesen kann. Osteuropahistoriker:innen nutzen in ihren Texten üblicherweise keine kyrillischen Schrift- zeichen (anders als Philolog:innen), sondern transliterieren wissenschaftlich.

Transliterationstabellen für Sprachen mit dem kyrillischen Alphabet

Für andere osteuropäische Sprachen, die ein anderes Schriftsystem benutzen (z.B. Kyrillisch, Georgisch, Armenisch), finden Sie online weitere Transliterationstabellen. Um mit den Transliterationstabellen zu arbeiten, müssen Sie nicht unbedingt die jeweilige Sprache lesen können. Wichtig ist, dass Sie einheitlich die wissenschaftliche Transliteration nach DIN ver- wenden. Die für die wissenschaftliche Transliteration benötigten Sonderzeichen finden sich nicht im normalen Zeichensatz für die deutsche Sprache, sondern müssen einem Sonderzei- chensatz entnommen werden (bei Word/Windows z.B.: über „Einfügen/Symbole“). In vielen englischsprachigen Publikationen können Sie außerdem eine ALA-Transliteration finden, die sich an englische Phonetik anlehnt. Diese Transliteration sollten Sie verwenden, wenn Sie einen Text auf Englisch verfassen.

 

Wichtig: Wenn Sie auf Publikationen verweisen, dann „übersetzen“ Sie die bibliographischen Angaben nicht für ihr Literaturverzeichnis – weder Namen, Titel noch Ortsnamen. Den Titel einer Publikation können Sie übersetzen und in Klammern hinter den Originaltitel stel- len.

z.B.:
Tatʼjana Voronina: Pomnitʼ po-našemu. Socrealističeskij istorizm i blokada Leningrada, Moskva 2018.
oder
Tatʼjana Voronina: Pomnitʼ po-našemu. Socrealističeskij istorizm i blokada Leningada [Er- innern auf unsere Art. Sozrealistischer Historismus und die Blockade Leningrads], Moskva 2018.
aber nicht
Tatʼjana Voronina: Pomnitʼ po-našemu. Socrealističeskij istorizm i blokada Leningrada, Moskau 2018.

Das polnische Alphabet verwendet einige Zeichen, die im Deutschen nicht vorkommen. Diese sogenannten diakritischen (=unterscheidenden) Zeichen finden sich nicht alle im nor- malen Zeichensatz für die deutsche Sprache, sondern müssen einem Sonderzeichensatz ent- nommen werden (bei Word/Windows z.B.: über „Einfügen/Symbole“).

Liste der diakritischen Zeichen

Vokale

Lautschrift (nach IPA / Int. Phonetisches Alphabet)

Aussprache

ą/Ą

[ɔ̃]

ląd (Fest-/Land) / wie frz. Bonbon

ę/ Ę

[ɛ]̃

Lech Wałęsa / wie Cousin

ó /Ó               

[u]

ogórek (Gurke / wie dt. Zug)

Konsonanten

   

ć / Ć

[͡t̠ ɕ]                                                                                                        

malować (malen) / wie dt. Mädchen)

ł / Ł

[w]

cegła (Ziegel) / wie engl. why

ń /Ń

[ɲ]

tańczyć (tanzen) / wie dt. Champig- non

ś / Ś                     

[ɕ]                                                                                                             

śruba (Schraube) / wie dt. Licht

ź/Ź

[ʑ]

jeździć (fahren) stimmhaft ähnlich dt. ich

ż / Ż

[ʐ]

żołnierz (Soldat) / wie dt. Journalist

Jiddisch war die Sprache der aschkenasischen Juden, deren Kultur im mittelalterlichen Deutschland entstanden ist und sich infolge durch die Verfolgung bedingte Migration der Juden in Europa verbreitete – besonders nach Osteuropa. Mit den Auswanderungswellen in Osteuropa Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelangte das Jiddische in die neuen jüdischen Zentren in Amerika und nach Israel. Das Jiddische gehört zum westgerma- nischen Teil der germanischen Sprachen, ist jedoch nicht typisch für diese Sprachfamilie. Es wird mit hebräischen Schriftzeichen – von rechts nach links – geschrieben. Verwendet wird die YIVO-Transliteration.

Beschäftigen Sie sich mit der Geschichte des Russischen Reiches – oder Teilen des Reiches – vor 1917, so treffen Sie auf ein anderes Kalendersystem. 1582 führte Papst Gregor XIII. den gregorianischen Kalender ein und löste damit in weiten Teilen Europas den julianischen Kalender ab. Eine Umstellung fand erst nach der Oktoberrevolution 1917 statt. Die russisch-orthodoxe Kirche nutzt den julianischen Kalender bis heute, was dazu führt, dass bspw. das Weihnachtsfest in Russland auf den 7. Januar fällt.
Beschäftigen Sie sich mit der Geschichte des Russischen Reiches vor oder um 1917, so kön- nen Sie auf unterschiedliche Datumsangaben treffen. Je nach Kalendersystem wird bspw. die Oktoberrevolution auf den 25. Oktober 1917 (julianisch) oder den 7. November 1917 (gregorianisch) datiert. Dabei handelt es sich nicht um widersprüchliche Angaben – der juliani- sche Kalender läuft dreizehn Tage nach. In Publikationen können Sie deshalb manchmal zwei Datumsangaben für Ereignisse, Geburstangaben o.ä. finden. Achten Sie darauf, bei Ihren ei- genen Texten transparent und einheitlich vorzugehen, wenn Sie mit dieser Problematik zu tun haben.

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