Die GeSoLei als Medium kolonialen Denkens
Die GeSoLei als Medium kolonialen Denkens
Mit der GeSoLei sollte Deutschland nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg und dem als "Schmach" empfundenen Versailler Vertrag und dem einhergehenden Verlust der Kolonien wieder Weltgeltung verliehen und koloniale Ansprüche sollten ausgedrückt werden. (Siehe hierzu auch folgende Seite)
Es lassen sich aber auf der Suche nach der ideologischen Begründung dieser Ansprüche teils widersprüchliche Begründungen finden. Kolonialismus lässt sich in seiner Gesamtheit als umkämpftes und uneinheitliches Feld verstehen, welches auch dadurch bedingt ist, dass es jene Widersprüche gab.
Dies gilt auch für die GeSoLei. Allen Begründungen war aber gemein, dass die im Kolonialismus aufgestellten „manichäischen Kategorien“ auch auf der GeSoLei bewusst und unbewusst reproduziert wurden: auf der einen Seite sollten sich die „zivilisierten“ und „weißen“ Kolonisatoren, auf der anderen die „barbarische“ und „schwarze“ Kolonialbevölkerung befinden. Es handelt sich also um Zuschreibungen von dem, was gut und was schlecht sei.
Dank ihrer Größe und Wichtigkeit lässt sich die GeSoLei als Massenmedium verstehen, das auch über die deutschen Grenzen hinaus rezipiert wurde. Dies geschah häufig durch internationale Presse, aber auch dadurch, dass Besucher aus nahezu allen westlichen Ländern kamen, die wohl dadurch angelockt wurden, dass die GeSoLei angebliche medizinische Aufklärung mit Freizeitmöglichkeiten und Attraktionen verband. Das Ausgestellte kann somit nicht nur als Ausdruck, sondern auch als wichtiger Beitrag zu einem größeren internationalen Diskurs verstanden werden.
1. Eugenik und Rassenhygiene
Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte eugenische Ideologie im Verbund mit kolonialen Ansprüchen. Dabei waren vor allem ein evolutionistisches Menschenbild und Weltsicht und ebenso eine sozialdarwinistische Abstammungslehre wichtig. Der eigene Überlegenheitsanspruch sollte qua essentialisierter Zugehörigkeit legitimiert werden und ein Unterschied zwischen dem Eigenen und den Fremden erhalten bzw. verfestigt werden. Als Eugenik wird in der Regel der Versuch verstanden die menschliche Evolution zu steuern und dabei das vermeintlich höherwertige Erbgut zu schützen.
Dieses Denken stand in einem internationalen Rahmen: Eugenik und Rassenhygiene hatten nicht nur in Deutschland eine lange Vorgeschichte, sondern auch in anderen westlichen Staaten. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es einen sich etablierenden, eugenischen Wissenschaftsdiskurs parallel zu und im Verbund mit den Erkenntnissen in der Evolutionslehre und Medizin. Selbst heute lässt sich nur schwer die wechselseitige Umklammerung von einerseits wissenschaftlicher und medizinischer Erkenntnis und andererseits pseudowissenschaftlicher Rassenlehre und Eugenik aufbrechen.
Auch auf der GeSoLei wurden solche Ansichten verbreitet. Dabei ist es zunächst so, dass derartiges Dafürhalten abstrakt-theoretisch - zum Beispiel durch Zeitungsbeiträge in der GeSoLei-Zeitung - aufgegriffen wurde und so Verbreitung fand. Illustriert wurden diese Theorien durch verschiedene Ausstellungsstände. Bei diesen musste es sich nicht zwangsläufig um eine Abwertung Anderer handeln. Es gab einen Ausstellungsbereich „Hygiene der Juden“: Die Aussteller sahen in der jüdischen Kultur bedingt durch Vorschriften in den heiligen Schriften dieser ein gelungenes Beispiel für Hygiene eines bestimmten Kollektivs. Soziale Vorschriften und die Einhaltung dieser hätte sich positiv auf den gesamten „jüdischen Stamm“ ausgewirkt. Das Judentum sollte den Deutschen Vorbild sein.
Aus diesem Beispiel lässt sich eine allgemeine Feststellung ableiten: Soziale Maßnahmen sollten sich positiv auf das Kollektiv auswirken. Soziale Hygiene wird hier mit Rassenhygiene verknüpft. Die GeSoLei steht auch für die eugenische Vorstellung, dass der Genpool einer menschlichen Population gesteuert werden muss, aber der Einzelne sich auch selbst „fit“ halten muss, da jener Genpool auch durch äußere Einfluss wie durch Vergiftung geschädigt werden könnte.
Diese Stoßrichtung war kein Zufall, da entscheidende Initiatoren der Ausstellung selbst Hygieniker waren. Hier ist Arthur Schloßmann zu nennen, der auch dadurch eine wichtige Rolle in der Düsseldorfer Stadtgeschichte spielt, dass er die „Düsseldorfer Akademie für praktische Medizin“ gründete, und aus der später die Düsseldorfer Uniklinik hervorging.
2. Kolonialisten als „Weltverbesserer“?
Es gilt aber auch zu beachten, dass rassistische Denkmuster und Kolonialismus nie vollends ineinander aufgingen. Es besteht ein Widerspruch zwischen rassistischer Essentialisierung von Kollektiven und einer „Zivilisierungsmission“, in der sich Kolonialisten als „Weltverbesserer“ und „Erziehungshelfer“ begriffen. Beide Ideologien stehen im Kontext eines kolonialen Denkkomplexes. Ein Beispiel wäre hier die auf der GeSoLei vertretene christliche Missionierung.(siehe hier) [1]
In Deutschland gab es den Sonderfall, dass mit dem Verlust der Kolonien auch der Vorwurf aufkam, dass Deutschland diesem Zivilisierungsauftrag nicht gerecht geworden sei. Die GeSoLei sollte diesem Vorwurf revisionistisch und propagandistisch entgegen wirken. (Siehe hierzu auch folgende Seite)
Ein klassisches Thema der „Zivilisierungsmission“ war die so genannten „Erziehung zur Arbeit“: die angeblich faulen Kolonisierten sollten zu schaffenden Arbeitern erzogen werden. Diese Form der Erziehung steht im Kontext einer Gesellschaft, in der es eine konkrete Vorstellung eines produktiven und schaffenden Bürgers gibt und in der Disziplinierungsmaßnamen gegen jene durchgeführt werden, die tatsächlich diesem Bild nicht entsprechen. Aber auch die Verwertbarkeit der vermeintlich eigenen Bevölkerung wird so zum Gegenstand. Es gibt eine doppelte Stoßrichtung in der auch ein ähnlicher oder gleicher ausschließender Gestus gegen das, was nicht bürgerlichen Ideal entspricht, auftaucht.
Disziplinierung nach Außen und Innen
Nicht nur die angebliche eigene Überlegenheit sollte gesichert oder der Kolonisierte verwertbar gemacht werden, sondern auch die Leistungsfähigkeit der eigenen Bevölkerung erhalten oder hergestellt werden. Dies erschöpfte sich nicht in einer sozialdarwinistischen Vererbungslehre oder mit Zwangsmaßnahmen gegenüber den Kolonisierten. Auch Deutsche sollten durch körperliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihren Beitrag zur Gesundheit der Nation und des Volkes leisten.
Die Darstellung der Kolonisierten, als wahlweise verwahrlost und faul, war auch eine Drohung an die Deutschen. Maßlosigkeit und Faulheit sollten diesen ausgetrieben werden mit der Drohung der Konsequenz, so wie der Kolonisierte zu enden. Dahinter stand die implizite Forderung an den einzelnen Deutschen, er solle sich selbst zum Wohle des eigenen Volkes optimieren. So sollte eine Erneuerung der Deutschen („des deutschen Michels“) durchgesetzt werden.
Auch auf der GeSoLei wurde diese Drohung regelrecht inszeniert. So wurde beispielsweise vor einer „Schlafkrankheit“ als Tropenkrankheit gewarnt, von der die dort ansäßige Bevölkerung befallen sei. Der Topos der Faulheit wurde so aufgegriffen. Hinzu kommt eine plastische Darstellung der angeblichen Kranken mit dunkler Hautfarbe als Puppen in abschreckenden Posen. Die suggerierte Herkunft der angeblich Kranken wird durch eine rassistische Beschriftung noch weiter unterstrichen. Die dahinter stehende Intention war den Betrachter zu schocken und abzustoßen. Bei diesem Beispiel findet sich eine Verschränkung: Die Darstellungsform ist zunächst partikularistisch und funktioniert nach manichäischen Kategorien (Krankheit und Faulheit = “schwarz“), aber die Drohung einer Krankheit universell. (siehe hier) [2]
Die GeSoLei greift mit ihrem Bezug auf Deutschland und das deutsche Volk oft Elemente einer inneren Mission auf, aber es gibt eben auch andere Tendenzen. Die Beschäftigung mit Tropenkrankheiten und dem Lösungsversuch kolonialer Hygiene stehen dafür. Neben den genannten Beispielen sind dort die Ausstellungsständen „Militär- und Kolonialhygiene“, „Kolonialhygiene und Krankheiten der warmen Länder“ und „Katholisches Schul- und Missionswesen“ zu nennen.
Krankheiten erfordern Schutz- und Gegenmaßnahmen, also aktives Handeln, und nicht nur, dass der Einzelne sich nicht zu Faulheit hinreißen lässt. In Fachaufsätzen, welche in der GeSoLei-Zeitung zu finden sind, wird hier vor allem weitere Erforschung und präventive Maßnahmen vorgeschlagen, aber es gebe auch Fortschritte in der Behandlung. In dem Aufsatz „Neue Heilmethoden für Tropenkrankheiten“ erschienen in der GeSoLei-Zeitung vom 11. Mai 1926 räumt der Autor Leopold Lehmann zudem unverblümt schon ein, dass es um „Nutzbarmachung“ der Tropen und der Menschen dort gehe. [3] Ein ähnliches Motiv tauchte auch im Selbstbild der bürgerlichen Norm auf. Der Kampf gegen Krankheit wird zur „Zivilisierung“.
Aber letztendlich lässt sich ein Großteil der Ausstellung und der damals geführten Diskurse auch nicht von diesem Denkkomplex trennen. Es ist schwer bis unmöglich dies von der Ausstellung im Ganzen oder der damaligen Verfasstheit der Gesellschaft überhaupt abzulösen. Die GeSoLei greift verschiedene rassistische, kolonialistische und sozial-chauvinistische Denkmuster auf und kombiniert sie zu einer Konstellation, deren Inhalt sich von Sozial- zu Rassenhygiene erstreckt. Die Hauptintention Deutschland wieder zu Größe zu verhelfen wurde konsequent verfolgt und dazu medizinisch-pseudowissenschaftliche Theorien verbreitet, welche mehr als nur Anleihen an Denkweisen nahmen, die im Komplex des Kolonialismus ihren Ursprung haben und aus dem historischen Kontext nicht heraus denkbar sind.
Ein Beispiel wären auch die Gebäude der GeSoLei, in deren Architektur sich koloniale oder verwandte Ideologien und Denkmustern bereits wiederfinden oder spiegeln.Hier geht es zum Rundgang der ehemaligen Gebäude der GeSoLei
[1] StAD 005-153-066.
[2] GeSoLei-Zeitung vom 13. Oktober 1926 (StAD: 6-0-59-2).
[3] GeSoLei Zeitung vom 11. Mai 1926 (StAD 6-0-59-1).