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Die Metatheologie von William of Ware – Editionskommentar zum Prolog seines Commentarium in libros IV sententiarum

Dissertationsprojekt – Konstantin Winters

Wilhelm von Ware lehrte um 1300 herum am Generalstudium des Franziskanerordens in Oxford. Das franziskanische Bildungswesen war streng hierarchisch aufgebaut; der Platz eines Theologen in dieser Hierarchie hing ganz von seinen intellektuellen Fähigkeiten ab. An der Spitze stand dabei das Studium in Paris, der „Bildungshauptstadt“ Lateineuropas während des 13. Jahrhunderts, dahinter reihten sich die verschiedenen Generalstudien der einzelnen Ordensprovinzen ein, unter denen das Studium in Oxford ebenfalls eine besonders prestigeträchtige Position einnahm.
Das theologische Curriculum orientierte sich voll und ganz an der systematischen Darstellung der katholischen Lehre in den vier Sentenzenbüchern des Petrus Lombardus. Allerdings beschränkte sich das Studium nicht nur auf ein bloßes Auswendiglernen der einzelnen Lehrsätze, sondern umfasste auch eine kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Argumenten, die für oder gegen die einzelnen Sätze vorgebracht wurden, und deren Harmonisierung.

Die franziskanische Gelehrtentradition wird häufig als ein Gegenentwurf zur thomistisch geprägten Gelehrtentradition der Dominikaner konzipiert. Die beiden großen franziskanischen Gelehrten Bonaventura und Johannes Duns Scotus gelten als „modernere“ Gegenparts zu Thomas von Aquin, beiden wird etwa eine stärkere Betonung des freien Willens oder der Erfahrung des Individuums zugesprochen. Johannes Duns Scotus gilt einigen noch immer als Vordenker des Gesellschaftsvertrags. Dieser latente Antagonismus führt nicht selten zu der Vorannahme einer „Ordenstheologie“, an die sich Angehörige des jeweiligen Ordens vermeintlich halten mussten, wenn es um die Bewertung dieser unterschiedlichen Theologen geht. Die Gelehrtengeschichte des späten 13. Jahrhunderts besteht aber aus mehr als diesen drei überragenden Gestalten. Eine überwältigende Vielzahl an Theologen dieser Zeit ist zwar nicht wohlbekannt, aber dennoch waren es gerade diese unbekannten Theologen, die den alltäglichen Lehrbetrieb an den zeitgenössischen Universitäten und Generalstudien aufrecht erhielten. Schließlich besaßen auch ein Thomas von Aquin oder ein Johannes Duns Scotus quantitative Grenzen in ihren Kapazitäten, Studenten zu unterrichten.
Die Erarbeitung eines dieser unbekannteren Gelehrten wird der oben genannten Konzeption auf den Zahn fühlen. Dass es sich in der lateinischen Gelehrtengeschichte zwischen Thomas von Aquin und Johannes Duns Scotus um einen teleologischen Prozess gehandelt haben soll, ist eine sehr gewagte These, und möglicherweise kann eine Betrachtung Wilhelms von Ware dazu beitragen, dieser zuweilen einseitigen Betrachtungsweise noch mehr Komplexität hinzuzufügen.

Über diese Fragestellungen hinaus soll das Dissertationsprojekt einen kleinen Teil zur Erschließung des Materials beitragen und eine digitale Edition der ersten sechs theologischen Fragestellungen des Sentenzenkommentars beinhalten. Der Kommentar ist in 25 Manuskripten überliefert. Bei diesen Manuskripten handelt es sich ausnahmslos um spätere Abschriften und Redaktionen. Bislang konnte auch nicht eindeutig festgestellt werden, in welchen Abhängigkeitsverhältnissen die einzelnen Abschriften zueinander stehen, und ob etwaige Unterschiede zwischen den einzelnen Manuskripten auf eine Revision zu Lebzeiten ihres Verfassers zu deuten sind oder vielmehr auf seine Rezeptionsgeschichte zurückzuführen sind.

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